27. Juni 2000

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Agya Rinpoche nachträglich aus seinem Amt entlassen

Zwei Jahre, nachdem er sich still und leise in die USA abgesetzt hatte, wurde letztendlich gegen den führenden buddhistischen Würdenträger Agya Rinpoche vorgegangen. Ein vom 24. Juni 2000 datierter Bericht der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua erwähnt kurz, daß Ajia Luosang Tudan Jiumei Jiacuo (tibetisch: Agya Lobsang Thubten Gyurme Gyatso) aus seinen Ämtern bei dem Komitee der nationalen Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (CPPCC) und bei dessen permanentem Ausschuß am Samstag, 24. Juni 2000 entfernt wurde. Xinhua gibt keinen Grund für die Amtsenthebung an und erwähnt auch nichts von seiner Flucht.

Der 49-jährige Agya Rinpoche, der Abt des Klosters Kumbum in der Provinz Qinghai, war zugleich der Vizepräsident der Buddhistischen Vereinigung Chinas und der stellvertretende Vorsitzende der Politischen Konsultativkonferenz des Volkes von Qinghai. Weil er bei den Chinesen als "patriotisch" gesinnt galt, besaß er einen gewissen Grad an Freiheit, sich für die tibetische Kultur und Sprache einzusetzen. 1998 reiste er dienstlich ins Ausland, aber kehrte nicht mehr zurück. Inzwischen erhielt er politisches Asyl in den USA.

Nach beinahe zwei Jahren Schweigens gab Agya Rinpoche schließlich am 16. März 2000 in Los Angeles eine öffentliche Erklärung über seine Entscheidung, Tibet zu verlassen. Bei einem Symposium über Religionsfreiheit in China, das von der Kommission für internationale religiöse Freiheit organisiert wurde, sprach er ausführlich über das Fehlen religiöser Freiheit in seinem Kloster und in ganz Qinghai. Er erläuterte die Beweggründe für seine Abreise in folgenden Worten:

"Wäre ich in Tibet geblieben, so wäre ich gezwungen gewesen, den Dalai Lama und meine Religion zu verleugnen und der chinesischen Regierung zu dienen. Das bedeutete auch die Beteiligung an staatlichen Pflichtübungen, die gegen meine Religion und meine persönliche Überzeugung waren. Als Abt von Kloster Kumbum hätte man mich gezwungen, der Regierung darin beizustehen, daß ihre Wahl des Panchen Lama von den Tibetern akzeptiert wird. Dies hätte meine tiefste Überzeugung verletzt. Es war an diesem Punkt, als mir klar wurde, daß ich mein Land verlassen muß. So beschloß ich schließlich, der Weisung meines Lehrers zu folgen. Er hatte mir nämlich geraten, daß ich, wenn ich das 50. Lebensjahr erreichen würde, aus dem politischen Leben scheiden und mich auf meine religiösen Studien konzentrieren sollte. Die einzige Möglichkeit, wie ich seinem Rat folgen konnte, war dem zu entfliehen, was nun eine fast totale Kontrolle der Chinesen über mein Leben geworden war".

Die Enthebung seiner Ämter von Agya Rinpoche in der CPPCC fast zwei Jahre nach seiner Abreise ins Exil läßt schließen, daß die Chinesen, die vielleicht anfänglich die Hoffnung hegten, daß sie ihn zur Rückkehr bewegen könnten, diese nach seiner öffentlichen Rede im März 2000 fahren ließen. Die jüngste Sitzung der CPPCC war wohl die erste Gelegenheit seit März für die Regierung, ihn seiner Ämter zu entheben. Die Kürze und Zurückhaltung der Xinhua Nachricht könnte auch ein Zeichen für Peinlichkeit sein, die Peking angesichts der jüngsten Stellungnahme Agya Rinpoches empfindet. Diese erfolgte weniger als drei Monate, nachdem ein anderer wichtiger religiöser Würdenträger, der 17. Karmapa, aus ähnlichen Gründen nach Indien floh.

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